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Our thought is fluctuating, uncertain, fleeting, successive, and compounded; and were we to remove these circumstances, we absolutely annihilate its essence.
(Unser Denken ist veraenderlich, ungewisz, fluechtig, flieszend und verbunden; wuerden wir ihm diese Eigenschaften nehmen, so vernichteten wir sein Wesen voellig. )
- David Hume, Dialogues Concerning Natural Religion, 1779

 

Erinnern und Vergessen
Sie sei die Mutter der Musen, sagten die Griechen ueber die Goettin des Gedaechtnisses, Mnemosyne. In der antiken Mythologie existierte jedoch auch Lethe, der Fluss des Vergessens. Aus ihm tranken die Seelen der Verstorbenen, um die Erinnerung an leidvolle irdische Erfahrungen auszuloeschen.

Seit jeher raetseln Philosophen und Wissenschaftler ueber die Natur des Gedaechtnisses. "Was ist denn das, womit wir uns erinnern, welche Kraft hat es und woher hat es sein Wesen?" rief Cicero im ersten Jahrhundert aus. Die Vorstellungen ueber das Wesen des Gedaechtnisses orientierten sich zumeist am Stand der zeitgenoessischen Speichertechnik. Das frueheste und moeglicherweise beruehmteste Beispiel einer Analogie zur Beschreibung der Gedaechtnisleistung stammt aus der Feder Platos:

So setze mir nun, damit wir doch ein Wort haben, in unsern Seelen einen waechsernen Gusz, welcher Abdruecke aufnehmen kann, bei dem einen groeszer, bei dem anderen kleiner, bei dem einen von reinerem Wachs, bei dem anderen von schmutzigerem, auch haerter bei einigen und bei andern feuchter, bei einigen auch gerade so, wie er sein musz . . .; und wessen wir uns erinnern wollen von dem Gesehenen oder Gehoerten oder auch selbst Gedachten, das druecken wir in diesen Gusz ab, indem wir ihn den Wahrnehmungen und Gedanken unterhalten, wie beim Siegeln mit dem Gepraege eines Ringes. Was sich nun abdrueckt, dessen erinnern wir uns und wissen es, solange naemlich sein Abbild vorhanden ist. Hat sich aber dieses verloescht oder hat es gar nicht abgedruckt werden koennen, so vergessen wir die Sache und wissen sie nicht. 3

 

Mit Hilfe einer einfachen Analogie erklaert Plato sowohl das Herausbilden von Erinnerungen als auch die Kapazitaet des Gedaechtnisses, individuelle Unterschiede in der Lernfaehigkeit und differenziert bereits zwischen verschiedenen Vorgaengen des Vergessens.

Nach der Erfindung des Buchdrucks lag die Parallele zu einem Buch oder einer Bibliothek nahe. Spaeter sollten dann Fotoapparat oder Tonband veranschaulichen, wie das Gehirn unsere Erinnerungen aufzeichnet. Die zentrale Gedaechtnismetapher unserer Zeit aber sind die Medien Computer&Internet, in denen Informationen kodiert, gespeichert und wieder abgerufen werden.

Ende der 50er Jahre wurde vom Computerpionier John von Neumann die Theorie geboren, das Gehirn wuerde wie ein Computer funktionieren. Demnach wuerden die einzelnen Gehirnregionen den spezialisierten, vorprogrammierten Einheiten des Rechners entsprechen. Kurze Zeit spaeter spaeter versuchte man in der Kuenstlichen Intelligenz, verschiedene Gehirnfunktionen wie etwa das Sehen maschinell nachzubauen.

Um die Strukturen eines Computers als "Speicher" nutzen zu koennen, muss man sich bereits erinnern, wie die dargestellten Zeichen zu dekodieren sind, aehnlich wie ein Foto nur dann als Gedaechtnisstuetze dienen kann, wenn man sich an das erinnert, was auf dem Foto abgebildet ist.

Der Kognitionswissenschaftler Klaus Fiedler beschreibt das Verhaeltnis  zwischen menschlichem Gehirn und Computerspeicher folgendermaszen:

Beim Computer kommt es ebenso wie beim Gedaechtnis darauf an, Information oekonomisch und leicht zugänglich darzustellen. Computer speichern Fotos komprimiert. Das heißt, sie merken sich nicht jeden Pixel, sondern rekonstruieren bei Bedarf anhand der Logik des Bildaufbaus das Foto. 4